Seinem Berliner Stammverein war Jan Stabenow zu alt. Er suchte eine neue Herausforderung – und fand sie im Norden. Beim TC Blau-Weiß Rostock ist er die Nummer 1.
Jan Stabenow war 19, als ihn ein Auto erwischte. Er wurde überfahren und meterweit mitgeschleift. „Ich konnte anderthalb Jahre nicht laufen“, erzählt er. Der Berliner kämpfte sich zurück – ins Leben und in den Sport.
Stabenow gehörte einst zu den größten Tennistalenten des Ostens. Dabei war er ein Spätstarter. Erst als 16-Jähriger fing er an, die Filzkugel über das Netz zu schlagen. Zwei Jahre später qualifzierte er sich für die DDR-Meisterschaften in der U 18. Heute ist er 47 – und damit im Schnitt doppelt so alt wie seine Konkurrenten. „Manchmal fragen mich die gegnerischen Jungs, ob sie mich siezen sollen“, erzählt Stabenow und lacht. Auf dem Platz ist Schluss mit lustig. Der Hauptstädter spielt aggressiv, druckvoll und beweist, warum er eine Leistungsklasse 1 hat. Er ist der älteste LK-1-Spieler der deutschen Rangliste.
„Man bekommt das nicht geschenkt. Man muss die Ergebnisse bringen“, meint Stabenow, der seine erste Saison für den TC Blau-Weiß Rostock spielt.
Bei seinem Stammverein TC Orange Weiß Friedrichshagen sei er nicht mehr zum Zuge gekommen, erzählt Stabenow. „Die sagen mir immer, dass ich zu alt bin und haben Angst, dass ich mich verletze.“ Der Diplom-Wirtschaftsingenieur suchte eine neue sportliche Herausforderung – und fand sie bei Blau-Weiß. Der Rostocker Henry Stelzer, Landesmeister des Vorjahres, hatte ihm den Verein empfohlen.
Die Konstellation passt. Stabenow, der als Inhaber eines Antiquariats weite Touren gewohnt ist, reist zu den Spielen aus Berlin an. Vier seiner fünf Matches hat er gewonnen und damit maßgeblichen Anteil am zwischenzeitlichen Höhenflug der Hansestädter, die erst im Saison-Endspurt ihren zweiten Rang verspielten und am Ende Platz vier belegten.
„Jan ist ein sehr umgänglicher Typ und natürlich ein sehr guter Spieler“, meint Blau-Weiß-Kapitän Martin Bromba.
Stabenows Erfahrung ist für die Truppe Gold wert. Im Heimspiel gegen die HSG Greifswald stand es nach den Einzeln 3:3. „Und dann hatte Jan eine gute Idee, wie wir unsere Doppel aufstellen“, berichtet Bromba. Der Plan ging auf. Blau-Weiß gewann alle drei Doppel – 6:3.
Jan Stabenow, der verheiratet ist, fühlt sich im Kreise der jungen Hüpfer wohl. „Wenn man bei den Herren 40 spielt,ist die Konkurrenz zu schwach“, meint der Hauptstädter. „Ich habe da einmal mitgespielt. In den ersten drei Runden haben mich die Leute beschimpft, warum ich das mache“, erzählt der Modellathlet, der nach eigener Aussage nie ein Fitnessstudio betreten hat. „Adonis hat mich geküsst“, scherzt der Berliner.
Stabenow fühlt sich auch mit Ende 40 noch fit. Nur der Oberschenkel bereite ihm hin und wieder Probleme. „Da hatte ich vor zwei Jahren einen Muskelbündelriss“, erzählt der Rechtshänder, der bei den Landesmeisterschaften in Schwerin verletzungsbedingt im Halbfinale passen musste.
Seinen Körper hält er mit Dehnübungen, Physiotherapie und Vitamin-C-, Kalzium- und Magnesium-Präparaten in Schwung. Nach harten Matches nimmt er ein Eisbad. „Das ist superhart, aber das muss man machen.“
Woher er seine Motivation nimmt? Jan Stabenow überlegt nur kurz. „Vielleicht ist der Unfall ein Grund“, sagt er, „weil ich damals so lange gebraucht habe, um mich wieder heranzukämpfen.“
Stefan Ehlers