Vom Balljungen zum Titelsammler
Die 25 Pfennige, die der achtjährige H.D. für seinen ersten Einsatz auf dem Tennisplatz in die kleine Hand gedrückt bekam, die hat er bis heute nicht vergessen: „zwei Groschen, zwei Zweier und ein Einpfennigstück“ waren der Lohn für eine Stunde Bällesammeln. Das war am Niederrhein, in einem der schönsten Clubs dort, dem Landtennisklub Grün-Weiß Moyland, in dem Horst-Dieter van de Loo 15 Jahre sein Zuhause hatte. Sein Vater war Platzwart der Anlage, die in den Park des altehrwürdigen Schlosses Moyland eingebettet ist, und seine Mutter führte die Clubgastronomie.
Da ergab es sich Anfang der Fünfziger Jahre fast zwangsläufig, dass der Junge nach den ersten Berührungen mit dem Filzball auch zum Schläger greifen konnte. Und dass er schon bald zeigen konnte, dass er die Bewegungen eines Tennisspielers sehr gut lesen und imitieren konnte. Bei den deutschen Balljungen-Meisterschaften in Ludwigshafen gewann er den Titel. Jahre später gelang mit dem HTC Blau-Weiß Krefeld der Start in die neu gegründete Bundesliga.
Mit 15 Jahren gab er seine ersten Trainerstunden. Nach Abi, Bundeswehr und (abgebrochenem) Sportstudium entschloss er sich, als Tennislehrer zu arbeiten, staatlich geprüft und mit DTBA- Lizenz. Stationen waren u.a. Bezirkstrainer des Linken Niederrhein, Clubs in Geldern, Moers, Krefeld und – bis heute – Goch. Bereits in jungen Jahren musste er zusammen mit seinen beiden Kindern den Tod seiner ersten Ehefrau verkraften.
Erster DM-Titel mit 49, jetzt 49 DM-Titel
Viele Jahre lang war Ruhe an der Titelfront. Erst als van de Loo seine zweite Ehefrau Petra kennen gelernt hatte, die selbst eine gute Tennisspielerin ist, hat es auch auf dem Platz klick gemacht: Die Lust an der gemeinsamen Freizeitgestaltung mit ihr machte ihn zum überzeugten Turnierspieler. „Meinen ersten Einzel-Titel habe ich erst mit 49 geholt,“ sagt er. Doch das war dann der Auftakt zu einer beeindruckenden Serie. Titel gab es auch bei den EMs im Doppel und Mixed; drei Mal Vize bei den WMs in der Mannschaft bzw. Doppel.
Weil der Niederrheiner 2001 für ein Interview gebeten wurde, seine DM Titel einmal nachzuzählen, hat er begonnen, deren Anzahl nachzuhalten: Nr. 48 und Nr. 49 sind es 2012 geworden, als er in Bad Neuenahr gegen Stephan Koudelka die AK 65 gewann und mit ihm zusammen das Doppel in derselben Altersklasse.
Bei der Hallen-DM in Essen, in seinem Heimatverband, kann der neue Spielersprecher der deutschen Tennissenioren dann gewiss den DM-Titel Nr. 50 holen. Bis dahin hofft er, wieder fit zu werden durch tägliches Radeln, manuelle Therapie und gezieltes Krafttraining – haben ihm doch Verletzungen in den letzten Monaten einige Striche durch die Rechnung gemacht. Weil er denkt, dass zum Tennis grundsätzlich athletische und psychische Fähigkeiten gehören, ist er gegen den Match-Tiebreak als Basis. In einer gewissen Not würde er ihn für gut halten.
Bei 1,80 m Körpergröße liegt sein bestes Kampfgewicht bei 86 kg. Es wieder zu erreichen, liegt auch in seiner Hand als Halbtagshausmann. Der für das Kochen zuständig ist, wenn seine Frau Petra in ihrem Steuerberatungsbüro tätig ist. Beide wollen ihre Berufstätigkeit aber langsam ausklingen lassen: für gemeinsame Urlaube, mit viel Tennis, auch mit EMs und WMs und DMs. Und wenn H.D. dann seine Titel vielleicht nicht mehr zählen kann – an die ersten 25 Pfennige wird er sich bestimmt noch erinnern.
Jörg-Ingo Peter