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Michael Kocher

Saisonarbeiter auf roter Asche

Michael KocherAus Filderstadt kommt der neue Herren-40-Europameister, einem Ort im Schwäbischen also, der bei TennisInfizierten automatisch die Assoziationskette schnelle Autos, Hallentennis und Steffi Graf in Gang setzt. Ob Michael Kocher mit einem teuren Schlitten unterwegs ist, wissen wir nicht – seine schwäbische Erdung spräche aber eher dagegen.

Dass Hallentennis nicht so sein Ding ist, steht fest: Sein Lieblingsbelag ist der langsamere rote Sand. Und von Mitte Oktober bis Mitte März gönnt sich der Werbefachmann eh eine längere Pause vom Tennis: Als Mitinhaber einer elterlichen Werbeagentur hat er sich jetzt verstärkt um seine wichtigsten Kunden zu kümmern, an deren Geschäftsberichten und Katalogen zu dieser Jahreszeit mit Hochdruck gearbeitet wird. WMTeilnahmen in Mexiko oder Neuseeland im Winter würden schon allein daran scheitern, zumal es auch keine finanzielle Unterstützung vom DTB gibt.

Bliebe noch die Frage mit Steffi Graf und Filderstadt zu klären: Als die damals 13-Jährige 1982 in Michael Kochers Heimatstadt debütierte (sie verlor 4:6 und 0:6 gegen Tracy Austin), hatte Tennis schon einen großen Stellenwert im Leben des 15-jährigen Jungen eingenommen: Wegen fehlender Jugendarbeit hatte er seinen Club TC Stetten bereits Richtung TC Bernhausen verlassen. Dort wurde Michael Kocher unter den Fittichen von Zeljko Tomazic Deutscher Vizemeister der Junioren. 1985 war das, als übrigens auch Steffi Graf wieder in Filderstadt aufkreuzte, um mit einem Sieg über Claudia Kohde-Kilsch erstmalig das Finale zu erreichen.

Sportliche Heimat in Backnang gefunden

Über die Herren-Oberliga in Bernhausen und den TC Weißenhof Stuttgart, wo es von der Regionalliga Südwest 1989 bis in die Bundesliga ging, und über die RegionalligaStationen TC Ravensburg, TC Waiblingen und TC Konstanz führte Kochers Weg 1998 zu dem Club, dem er bis heute die Treue gehalten hat: die TSG Backnang, etwa 50 km von seiner Heimat entfernt.

Führte die aktuelle Nr. 1 der deutschen Herren-40-Rangliste zu seiner aktiven Zeit bis vor ein paar Jahren noch ein semiprofessionelles Leben, lässt sie es tennismäßig nun ein wenig ruhiger angehen: Spitzenspieler in der Regionalliga-Mannschaft Herren 40, einmal wöchentlich Training – natürlich nur im Sommer! Ein paar hochkarätige Turniere, die gerne auch touristisch zu einem Kurzurlaub mit seiner Partnerin passen, wie Klagenfurt am Wörthersee, Klosters im Kanton Graubünden oder Font de Sa Cala auf Mallorca. „Wo man selbst dann noch gerne verweilt, wenn man frühzeitig aus dem Turnier fliegt,“sagt der 42-Jährige. Wobei ihm das in letzter Zeit nicht allzu oft passiert sein dürfte – umsonst wird man nicht Spitzenreiter der ITF-Weltrangliste. Diese Top-Position erreichte der Schwabe mit dem Herren-40-Turniersieg bei der EM in Baden-Baden (siehe Seite 4), dem „bestbesetzten Turnier, das ich je gespielt habe. Einen Sieg habe ich mir in der Konkurrenz mit Spielern wie Aberg, Penirschke, Groen, Eisele und Arraya nicht ausgerechnet. Aber an Nr. 1 gesetzt, hatte ich auch eine ganz gute Auslosung,“ sagt der sympathische Champion in seinem gewohnten Understatement.

Seine Bescheidenheit – ein Wesenszug, von dem auch andere profitieren. Denn neben Squash (sogar im Winter!) spielt der begeisterte VfB Stuttgart-Fan mit Dauerkarte auch sehr passabel Golf (Handicap 14,1), wenn es die Zeit zulässt, und organisiert zusammen mit seinem Freund Mark Podschadly jährlich ein Benefiz-Golf-Turnier. In den letzten zehn Jahren sind so immerhin schon 30.000 Euro zugunsten behinderter Kinder zusammen gekommen. Und das alles im Sommer, wenn der Saisonarbeiter Michael Kocher statt auf dem Green eigentlich auf roter Asche aktiv sein müsste!

Jörg-Ingo Peter

Hajo Plötz

Meister aller Klassen

Hajo Plötz„Unschlagbar gut: Hajo Plötz“ empfängt mich die Telefonwarteschleife seines Berliner Sportgeschäftes. Damit ist sicherlich nicht nur der Service des auf Tennis- und Golfausrüstung spezialisierten Fachgeschäftes gemeint, sondern auch der sportliche Erfolg seines prominenten Senior-Chefs. Denn Hans-Joachim Hajo Plötz hat im Tennis einen Rekord erzielt, den auf lange Sicht niemand so bald einstellen wird: Er ist der einzige Spieler, der bisher in allen Altersklassen ab 14 bis 65 Jahre Deutscher Meister wurde!

Was er 1958 als Deutscher Einzelmeister der Bambinos in Köln begann, vollendete er im Jahre 2010 in Bad Neuenahr mit einem 7:5, 6:2 gegen Karl-Heinz Schäfer vom TC Seelbach. Zwischen diesen beiden Erfolgen liegt eine erfolgreiche Tenniskarriere, die über deutsche Jugend-Meisterschaften Anfang der Sechziger Jahre und Doppel-/Mixed- und Einzelmeisterschaften bei den Herren in eine Profikarriere bis 1976 mündete.

Vom DTB und seinem damaligen Präsidenten Fritz Kütemeyer gefördert, der ihm seinerzeit in Hannover auch Kost und Logis bot, wurde Plötz zu internationalen Turnieren eingeladen und konnte im Winter in Südafrika trainieren – Tennishallen waren hier ja noch rar gesät. Die größten Erfolge des für TC 1899 BW Berlin aufschlagenden Rechtshänders waren dabei der Turniererfolg bei den Internationalen Meisterschaften in Stuttgart, das Achtelfinale in Wimbledon, der 5-Satzsieg gegen Guillermo Vilas im Semifinale am Hamburger Rothenbaum und – was auch nur wenigen deutschen Spielern gelang – der Sieg über Björn Borg 1975 in Toronto.

Sport und Leidenschaft

Nach der Profikarriere blieb der gebürtige Berliner seiner Heimatstadt und dem Sport verbunden – und sei nen Erfolgen, die er ab 1983 auch als Jungsenior und ab 1991 als Senior fortsetzte. Im 1976 eröffneten Sportgeschäft am Hohenzollerndamm bestimmen Tennis und Golf – auch das ist eine Leidenschaft, die Hajo Plötz erfolgreich beherrscht – das Sortiment. Das Familiengeschäft wird inzwischen von Sohn Benjamin fortgeführt, Vater Hajo nimmt aber noch viel Anteil daran, wenn er nicht gerade in seinem Domizil in Südafrika ist – eine schöne Angewohnheit, der er seit seinen Profijahren treu geblieben ist.

In Berlin trainiert Hajo Plötz zwei bis dreimal wöchentlich mit seinen Kollegen aus der 60er-Mannschaft, mit der er Berliner Meister und auch zweimal Deutscher Meister geworden ist. Mit Jüngeren eher nicht – das topspin-lastige Spiel sei zum Eintrainieren von Spielsituationen für den Seniorenbereich eher ungeeignet, meint der 66-Jährige.

So bleiben denn drei bis fünf Senioren-Events pro Jahr, an denen Plötz teilnimmt – Bad Neuenahr immer gerne inklusive, weil es „eines der bestorganisierten Turniere mit einer tollen Atmosphäre“ ist. Wenn er 2011 dort antritt, wird er wieder bestens vorbereitet sein, obwohl er sein Ziel in der Altersklasse 65 ja bereits in diesem Jahr erreicht hat. Richtig rechnen muss man mit ihm garantiert im Jahre 2014: Frühestens da kann Hajo Plötz seine Serie fortsetzen und den Titel in der nächsten Altersklasse einfahren. Bei den 70-ern dann.

Jörg-Ingo Peter

Susanne Veismann

Mit Köpfchen und mit guten Kopfnoten

Susanne VeismannIm Tennis gibt es keine Kopfnoten, da zählt nur das nackte Ergebnis. Das Arbeits- und Sozialverhalten auf und neben dem Platz wird nicht bewertet, zumindest nicht im Endergebnis oder in der Rangliste. Wenn man der engagierten Grundschullehrerin und aktuellen Nr. 1 der deutschen Damen 45 aber ein Zeugnis ausstellen dürfte, dann käme man an dieser Formulierung nicht vorbei: „verdient besondere Anerkennung“. Das ist nämlich das Optimum in Niedersachsen, wo Susanne Veismann lehrt, in einem sozialen Brennpunkt ihrer Osnabrücker Heimatstadt genauer. Dort hat sie es mit einem multikulturellen Nachwuchs zu tun, den sie an möglichst viel Bildung heranführen und ihm den Spaß am Lernen vermitteln möchte.

Schon das verdient besondere Anerkennung, aber Ihre Tenniserfolge zweifellos auch: Die 46-Jährige ist vielfache Niedersachsen- und norddeutsche Meisterin, achtfache Deutsche Vizemeisterin, Deutsche Meisterin 2005, holte die Bronzemedaille der Damen 40 bei der WM 2010 in Mexiko, hatte vier Einsätze in der Nationalmannschaft, nahm mit ihrem Club DTV Hannover an der Endrunde der deutschen Vereinsmeisterschaften teil und wurde mit ihm mehrfacher Norddeutscher Mannschaftsmeister, zuletzt auch in der Winterrunde 2010/11. Viele Erfolge bei ITF-Turnieren wie Krefeld, Ottersweier, Münster und Internationale Westfälische Meisterschaften in Bielefeld konnte Susanne Veismann in 2010 feiern.

Gegen die Gräfin kann man schon mal verlieren

Dabei waren die Erfolge des Apple-Freaks – iBook, iPad und iPhone 4 gehören zur Standardausstattung – keineswegs programmiert. Sie kam nicht aus einer Tennisfamilie, sondern hat im Gegenteil erst die Eltern zu diesem Ballspiel gebracht. Mit 9 Jahren fiel die Entscheidung gegen das Voltigieren für die richtige (!) Sportart, in der Jugend kam sie aber nicht über Bezirksmeistertitel hinaus. Richtige Erfolge stellten sich erst später im Damenbereich und den Altersklassen ein. Die 0:6, 1:6 Niederlage gegen die 17-jährige Steffi Graf könnte man auch schon fast als Erfolg werten, schließlich war das in dem Jahr 1987, als die Gräfin den Tennisthron erklomm.

Ob Susanne Veismann damals schon so eine relaxte Einstellung zum Tennissport hatte wie heute, darf bezweifelt werden: Sich tagsüber zu fordern und Abends gesellig zusammen zu sitzen, sei doch schließlich der Sinn von Turnieren, bei denen sie schon viele liebe Menschen kennen gelernt habe, mit denen sie auch außerhalb von Turnieren Kontakt hält.

Die Grundlage ihrer späteren Erfolge dürften zum einen in Susanne Veismanns hervorragender Fitness liegen, die sich die allseits Sportbegeisterte u. a. durch Rennradfahren und Laufen („macht meinen Kopf frei und entspannt mich“) erhält. Kein Wunder, dass das längste Match ihrer Karriere mit 4 h 20 länger gedauert hat, als ihr schnellster Marathon: Der war schon in 3 h 57 absolviert.

Der andere Grund, dass die passionierte Mini-Fahrerin heute gegen Spielerinnen gewinnt, die sie früher noch hoch geschlagen haben: ihr guter Kopf. Die richtige Einstellung, die richtige Motivation, die richtige mentale Stärke – eine gute Kopfnote also.

Jörg-Ingo Peter